Karma Taxi

Vor genau 5 Jahren bin ich zum ersten Mal alleine, also, ohne, dass jemand auf mich im fernen Land wartete, verreist. Nach Thailand. Ich hatte einen Herzbruchwalzer sondergleichen erlitten. Mein damaliger Lieblingsmensch verschwand von heute auf morgen nach fast einem Jahrzehnt Weltteilen. Es fühlte sich an, als hätte ihn ein LKW vor meinen Augen überfahren, aber nicht er, sondern ich zerbrach dabei in 1000 Stücke. Also galt es mich zu flicken und dabei neu Laufen zu lernen…das wollte ich in der Ferne austesten, einen Fuß vor den anderen setzen, jeden einzelnen meiner Zehen kennenlernen und dabei Menschen und dem Leben möglichst offen begegnen. Ausgerechnet Bangkok, meine erste Station, teilte mir eine Lektion im „Laufenlernen“ mit.

Vor meinem Guesthouse, der Shanti Lodge, stand ein Taxifahrer. Ich sprach ihn an und bat ihn, mich ins „Zentrum“ der Stadt zu fahren. Auf der Fahrt erzählte er mir, dass er gerade einen Freund besucht hatte, der im Tempel neben der Shanti Lodge war. Ausserdem plauderte er über seine erwachsenen Kinder, die in Amerika lebten, dass er sein Leben in Bangkok sehr mochte und auch seinen Beruf als Taxifahrer. Eigentlich hätte er ausgedient, da er aber gerne durch die Stadt düse und auf Kohlemachen stehe, würde er immer weiterfahren. Er war sympathisch, ich gab ihm gut Trinkgeld und wir verabschiedeten uns. Zwei Tage später fuhr ich mit dem Local Bus zum Weekendmarket. Aus irgendeinem Grund fuhr die Nummer, die mich hinbrachte, abends nicht zurück, also nahm ich eine andere Linie, von der ich dachte, sie würde mich zurück in die Gegend bringen, in der mein Bett stand. Dass die Haltestellen nur in thai gekennzeichnet waren, sorgte für zusätzliche Verwirrung, weil ich ja nichts entziffern konnte. Mein Plan war: wenn ich 20 Minuten für den Hinweg gebraucht hatte, würde ich einfach wieder nach 20 Minuten aussteigen.

 

Nach 20 Minuten verliess ich den Bus und schlug meinen Oldschool Stadtplan auf, um zu sehen, wo ich bin. Leider fand ich die Strasse, in der ich mich befand, darauf nicht verzeichnet. Ich fragte einen alten Thai. Er gab mir mit Händen und Füssen zu verstehen, dass ich zu weit aus Bangkok rausgefahren bin, und die Strasse, in der wir uns befanden, nicht mehr auf meinem Plan war. Er gab mir das Zeichen einfach eine Stunde lang geradeaus zu gehen, dann würde ich mich meiner Unterkunft wieder nähern. Ich setze einen Fuss vor den anderen und nach kurzer Zeit kam mir ein Mann entgegen: „Hello Lady, you remember me?“ – es war der Taxifahrer.  Er und ich umgeben von über ca. 8 ½ Millionen Einwohnern und einem Meer von Touris drum rum, die auf 1,569 qkm umhersausen zwischen einem Strassennetz von Troks – kleinen Pfaden, Sois – grösseren Strassen, Thanons – Hauptverbindungsstrassen und Schnellstrassen. Der Zufall oder was auch immer hatte uns zwei Tage später wieder zusammengeführt. Ich sagte ihm, dass ich mich verlaufen habe. Er schlug vor, gemeinsam zu seinem Taxi zu gehen, das eine Strasse weiter stand, um mich zu meinem Guesthouse zu fahren. Ich willigte ein. Klar. Also düsten wir los und jetzt verfranste er sich. Er konnte sich nicht daran erinnern, wo meine Strasse lag. Er hatte kein Navi und versuchte es mit Anhalten und Sichdurchfragen. Es nütze nichts. Dann fiel mir unser Gespräch ein, dass er, bevor ich zu ihm ins Taxi stieg, seinen Freund im Tempel besucht hatte. Und da ging ihm ein Licht auf. Genau dieser Hinweis führte dazu, dass er jetzt den Weg wusste. Er brachte mich zu meinem temporären Zuhause und schenkte mir nicht nur die Fahrt, sondern auch ein Stück Vertrauen ins Leben und seinen Menschen darin.



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