Können Schlangen sich den Rücken brechen?

Zusammengerollt lag sie in der Mitte des fast leeren Schlafzimmers meines Holzhauses. Ich starrte sie an, brüllte los, liess alle Türen offen und rannte raus. Hundert Stufen runter in den Dschungel, vorbei an Palmen und Jackfruitbäumen. Mein Haus machte seinem Namen gerade alle Ehre „Bam Bam Nature House“. Natur ist ja schön und gut, aber die sollte doch draussen bleiben, auch wenn ich alle Fenster offen lassen musste.

Die Schlange war der Höhepunkt aller Tierbesuche in meinem Holzhaus auf Stelzen. Ich wollte schon immer mal in einem wohnen, seit Jahren träumte ich davon und auf Ko Phangan fand ich es. Leider musste ich feststellen, dass so ein Thai-Holzhaus schwierig ist. Es ist wie ein Typ, der super aussieht, aber derbe Baustellen hat. Als ich es bezog, fiel mir nachts der strenge stechende Geruch auf, der besonders im Schlafzimmer durch meine Nase kroch. Dazu wellte sich die Decke, wenn es stark regnete, was es drei Wochen tat. Ein bissiger Uringeruch gesellte sich dazu – wer weiss, was unterm Dach abging, Geckos sausten dort immer entlang. Die fand ich niedlich. Wenn ich abends alleine in meinen Haus hauste, dann machte ich oft Spass mit ihnen auf der Veranda, spielte Hip Hop und drehte kleine Diskovideos mit ihnen. Ameisen liess ich zur Technomusik auf meinem Teller rumraven während sie meine Essensreste verspeisten. Überall waren Tiere. Meine Fenster hatten keine Moskito-Netze und weil ch ausserdem Schiss vor dem Alleinsein in der Dunkelheit hatte, liess ich nachts erstmal die Fenster geschlossen. Das brachte die Luft zum Brodeln.

Nach fünf Tagen hatte ich rote Flecken im Gesicht, Kopfschmerzen und ein polterndes Herz. Ich ging auf Quellensuche und wurde fündig. Die untere Seite meiner Matratze hatte einen riesen grossen schwarzen Fleck, feucht. Das Lattenrost, eine Spanplatte, war mit weissem Schimmel bedeckt. Als ich meine Nase unter das Bettgestell hielt, explodierte sie fast. Partikel tanzten in meiner Nase rum.

 

Der Vermieter, Mr. Nice, tatsächlich ein netter Thai, immer hilfsbereit und aufmerksam, erklärte mir, dass man in Thailand das Holz mit Chemikalien behandelt, um es vor Termiten zu schützen. Wenn man das nicht macht, kommen sie und fressen es auf. Er liess das Bett abtransportieren, bzw. unters Haus stellen, was die Thais machen, wenn was nicht mehr gebraucht wird.

 

  • Schön unters Haus packen, so löst sich das Problem des Mülls ja auch nicht.

Ich bekam eine neue Matratze und dachte, dass es nun besser wird, wurde es auch, aber nur ein bisschen. Weil: Es kam raus, dass auch der Boden im Schlafzimmer mit den krassen Chemikalien (in Deutschland seit Jahrzehnten verboten) behandelt wurde. Also schlief ich ab der zweiten Woche mit der Matratze auf dem Boden im Wohnzimmer, überwand meine Angst vor Tieren und Eindringlingen jeglicher Art und öffnete auch nachts alle Fenster.

 

Ihr fragt euch jetzt: „Ist die bescheuert, warum hat sie das Haus nicht sofort verlassen?“ Erstens: Ich hatte die komplette Miete im Voraus bezahlt. Zweitens: Es war Hochsaison und alles dicht, Drittens: es gab mehrere solcher behandelten Häuser und Viertens: Ich hatte Hoffnung. Schliesslich war das Haus wunderschön, nur eben gesundheitsgefährdend……. Vier Wochen lang führte ich diese toxic relationship, in der Hoffnung, es würde besser werden…ich müsste nur gut genug lüften, aber auch mit Ventilator, Räucherstäbchen, Ölen und Klimananlage…  es blieb dabei: Von Aussen ein Traum, von Innen ein unverbesserliches Moddermonster. Jetzt mit Schlange. Ob die so giftig war, wie Schimmel und Holzchemikalien, wusste ich erstmal nicht.

 

 

Die Schlange pennte in meinem Schlafzimmer, und ich stand heulend mitten in der Nacht im Dschungel und wünschte mir dringend, nicht alleine auf dieser Reise zu sein. Wo war der Kerl, der das für mich klärte, heroisch die Schlange aus dem Schlafzimmer zog? Zum Glück war zwei Tage zuvor jemand in das verlassene Holzhaus nebenan gezogen und hatte sich schon durch guten Musikgeschmack bewiesen, der stets zu mir rüberschwappte. Es war noch Licht, und ich klopfte an die Tür. Eine türkische Musikerin, Ayse, stellte sich mir vor. Sie habe kaum Schiss vor Schlangen, dafür umso mehr vor Spinnen.

Mit Spinnen konnte ich besser umgehen irgendwie: Am ersten Abend entdeckte ich eine in meinem Bad. Eine dicke schwarze Spinne hockte hinter meiner Toilette und schaute mir beim Duschen zu. Ich wusch mir schnell und bedacht den Schaum aus dem Haar, nahm langsam den Toilettenwasserstrahler in die Hand, den man statt Klopapier in Asien benutzt, und damit verpasste ihr eine kalte Dusche. Der Wasserdruck reichte aber lediglich dazu aus, sie einmal etwas zusammenschrumpeln zu lassen. Daraufhin setzte ich zum ersten Mal Pfefferspray ein, das ich aus Deutschland mitgebracht hatte. Ich drückte zwei Mal ab, das 1 qm Bad füllte sich mit orangefarbenem  Pfeffernebel, der auch mein Gesicht, meine Hände und Füsse erreichte und dazu führte, dass ich 3 Tage lang wie auf Kohlen rumrannte und keine Kontaktlinsen mehr tragen konnte. Ich schloss die Badezimmertür, wartete nach der Attacke ab in der Hoffnung, dass die Spinne dahinter eingehen würde. Als ich nach einer halben Stunde die Tür öffnete, sah ich sie nicht mehr. Ich hockte mich hin, um zu sehen, ob sie sich noch weiter hinter die Toilette gekrochen ist und genau in dem Moment, rannte sie flink durch meine Beine durch, hinaus in die Natur durch die offene Hintertür meiner Küche. Wie im Film. Spinne war abgehakt. Mit dieser Übung konnte ich Ayse noch in derselben Nacht helfen, eine Spinne in ihrem Schlafzimmer zu erledigen. Wir kicherten dabei hysterisch. Ja ja. Was man halt so macht nachts auf Ko Phangan – Ein Spinnenbild gibt es übrigens nicht.

Wieder zur Schlange. Ayse sagte: „Oh es ist schon Mitternacht, aber wir rufen trotzdem Mr. Nice an.“ Der ging aber nicht ran, also nahm ich mein Moped und düste zu seinem Resort. Ich war vollgetankt mit Angst, und als ich die Brücke zu seinem Resort überquerte, knurrte mich der grösste seiner Hunde an, mit dem ich mich sonst super verstand, aber die Angst roch er. Sowieso war da alles dunkel also kehrte ich zurück zu meinem Bam Bam Nature House bzw. zu Ayse. Wir posteten auf Facebook in der Ko Phangan Conscious Community Group, dass wir Hilfe benötigen. Sofort bekam ich den Kontakt zu dem Reptilien- und Schlangenexperten der Insel. Ich rief ihn an, nach nur drei Sekunden war am Akzent klar, er ist Deutscher. Stefan. Er kommt und rettet die Tiere ohne dass uns und ihnen was passiert. Er fragte: „Ist es eine Kobra“. Ich so: „Waaaas Kobra???“, er so: „Ja ich komme nur wenn es eine Kobra ist, also wenn es wirklich dringend ist, weil ich habe Besuch“. Er wollte wissen wie meine Schlange denn aussah. In meinem Kopf war sie dunkel und sehr gross, aber sicher war ich mir nicht.  Stefan fragte: „Hat sie ein Muster, wenn ja dann ist sie ungefährlich“.  Ich wusste es nicht. Um sicherzugehen, blieb uns nichts anderes übrig als nachzukucken. Ayse nahm mich an die Hand und wir gingen zu meinem Haus zurück. Leider hatte ich ja alle Türen offen gelassen, die Schlange konnte nun also überall sein, und in der Mitte meines Schlafzimmers war sie schon mal nicht mehr. Ein Déjà vu für mich, denn mit der Spinne war es ja ähnlich gewesen. Ich war so nervös, dass auch die Schlange angeflitzt kommt.  Ayse betrat mein Schlafzimmer, auf Katzenpfoten schlich sie zur Kommode, dem einzigen Gegenstand in meinem Schlafzimmer, sie schaute dahinter und begann in einem süsslich säuselnden Singsang zu sprechen. Es stellte sich heraus, dass es eine Babyschlange ist. Mein Schock-Kopf hatte aus dem kleinen verschreckten Ding einen Riesen gemacht. Ayse machte ein Foto und das sendeten wir Stefan zu. Er beruhigte uns und meinte, es sei definitiv eine Wolf Snake. Total harmlos.

Sieht fast aus wie ne Grillbratwurstschnecke. Noch mal zum Stöbern auf http://reptilerescuephangan.com/reported-snakes-of-phangan/

Er machte Schlangenaufklärung: Es gibt 300 verschiedene Schlangenarten in Thailand, 20 davon auf Ko Phangan. 3 Arten sind tödlich giftig. Die Monokelkobra und Königskobra kommen auch schon mal aus Versehen in unsere Häuser. Beide sind gefährlich giftig, aber nicht gefährlich aggressiv oder angriffslustig. Es ist es sehr viel wahrscheinlicher auf Ko Phangan von einem Hund mit Tollwut angefallen zu werden als von einer Schlange. Wenn man Schlangen zu nah kommt, versuchen sie einen Ausweg zu finden, wenn das nicht klappt, stellen sie ihren Vorderkörper auf und fangen ängstlich an zu schnauben. Erst dann wenn man sie nicht in Ruhe lässt, wird es heikel. Fatale Schlangenbisse kamen in den letzten zehn Jahren nur vier Mal in Thailand vor. Zwei davon durch Eigenverschulden. Ein Einheimischer hatte versucht eine Kobra zu erschlagen. Die Kobra hatte sich gewehrt und einen tödlichen Treffer gelandet. Eine andere Kobra hatte einen burmesischen Mann bei einer Schlangenshow in die Zunge gebissen, als er sie gegen ihren Willen vor sein Gesicht gehalten hatte und mit ihr aus Fun einen Zungenkuss vortäuschen wollte.

Wir hatten das nicht vor und sowieso war es ja angeblich eine Wolf Snake. Stefan sagte uns, dass wir sie einfach heraustragen sollen.  Ich holte Kehrblech und Besen. Ayse lockte die Schlange aus ihrem Versteck hervor, indem sie mit ihr weiterhin wie mit einem Baby sprach, was sie ja auch war. Die Schlange schlängelte sich an der Wand entlang bis sie das Blech erreichte.  Dann bugsierten wir sie nach draussen und warfen sie im Effekt über das Geländer nach unten. Da war auch Ayse kurz nicht mehr cool geblieben. Und wir fragten uns: „Können Schlangen sich beim Aufprall den Rücken brechen?“ Stefan weiss: „Normal nicht. Sie blähen sie sich im freien Fall auf, und aktivieren damit ihren Airbag.“

Durch Konfrontation und Aufklärung ist meine Angst vor Schlangen weniger geworden, und tatsächlich vermisste ich am nächsten Morgen die kleine Schlange. Ich schaute in den Vorgarten. Sie war fort. Wo war eigentlich ihre Mutter?



2 Antworten zu “Können Schlangen sich den Rücken brechen?”

  1. Ellen sagt:

    Super Geschichte, Yvonne. Was für ein Bild! Hab laut gelacht. Ganz liebe Grüße aus Elsterdelta!

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