Ohne Smartphone durch Asien – reisen offline

2014 war Asien schon richtig gut vernetzt mit Wifi an jeder Ecke. Ich hatte mich ans Reisen&Surfen gewöhnt, konnte jederzeit online etwas nachkucken und mit meinen Freunden kommunizieren.

Als mein Smartphone im Meditationszentrum den Geist aufgab, war ich erst verängstigt. Ich hatte das Gefühl, ohne den ständigen Zugang zum World Wide Web verloren zu sein.  Und jetzt mal ehrlich, wer von euch ist schon mal auf dem Weg zur Arbeit umgekehrt, als er bemerkte, dass das Handy noch zuhause schlummernd auf dem Kopfkissen lag?…. Ja genau dieses Gefühl ist es. Zumindest bei mir.

Nachdem der Fachmann im Elektroladen mir sagte, dass mein iPhone nicht mehr aus dem Schlummerzustand rauskommen würde, war ich plötzlich erleichtert. Denn ich gebe zu, ich bin wie viele andere addicted, bin für mich gefühlt, viel zu oft im Netz und diese höhere Gewalt gab mir damals die Möglichkeit frei zu sein vom www.  Drei Wochen reisen ohne Internet in der Tasche. Sein im Hier und Jetzt. Was für eine Chance. Was für eine Herausforderung. (Auch) für andere.

Ich befand mich damals im Norden Thailands in Pai zusammen mit Miok und Suni, die ich in meiner Yogalehrererausbildung kennengelernt hatte. Wir drei hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Wohnen. Suni mietete im Zentrum ein eher schickes Steinhaus, wo keine Viecher reinkamen, Miok zog es in die Berge in ein Holzhaus und ich bewohnte eine löchrige Bambushütte direkt am Fluss.

Jeden Abend um 18 Uhr trafen wir uns an der Strassenkreuzung zum Streetmarket und machten direkt für den nächsten Tag aus, wann und wo wir uns morgens treffen wollten. Und damit ich unsere morgendlichen Verabredungen nicht verpennte, brauchte ich einen Wecker. Miok sagte noch: „Ah you don’t have alarm clock – I can call you“ – ja so tief sitzt das drin bei uns. Also nochmal: „Ich habe ja keinen Wecker, weil ich kein Handy hab…“ Also zog ich durch die kleinen Shops auf der Suche nach einem Wecker. Und es lag nicht immer nur an der Sprache, dass die Verkäufer mich nicht verstanden: „Wie du suchst einen Wecker, hast du denn kein Handy?“ Nach ungefähr einer Stunde fand ich einen Laden, der einen kleinen roten Plastikwecker hatte. Die Woche in Pai lief reibungslos ab. Ohne Verspätung.

Ich bin dann alleine weiter nach Vietnam. Nach Saigon als Zwischenstation zu meinem Endziel Jungle Beach. Eine Freundin hatte mir das empfohlen, ein Strandabschnitt in der Einöde mit riesigen Bambushütten. Sowas ist sehr selten in Vietnam, und weil ich Vietnam mal sehen wollte und nach der Yogalehrerausbildung Entspannung wirklich nötig hatte (kein Witz:-) und nicht auf Resorts stehe, machte ich mich auf den Weg dorthin. Die Anreise war ein Adrenalinabenteuer.

Nachtbus von Saigon nach Nha Trang – mit Ibizapartybeschallung und LED Lichtern

Über das Hosteltelefon in Saigon/ Hồ Chí Minh rief ich den Jungle Beach Besitzer an und sagte ihm, dass ich den Nachtbus nehme und morgens um 5 Uhr in Nha Trang ankommen würde. Das ist die nächste grössere Stadt rund 1,5 Autofahrstunden von seinem Beach in Ninh Phước, Ninh Hòa, Khánh Hòa entfernt. Er bestellte den Taxifahrer.  Die Nachtfahrt mit dem Bus dauerte aber nicht die geplanten 11 Stunden, sondern 14. Ich musste mir von jemand das Telefon ausleihen und mitten in der Nacht bei ihm anrufen, um zu sagen, dass es etwas später werden wird. Ging klar. Er gab mir noch den Hinweis, dass ich schweigen sollte, wenn ich beim Ankommen in Nha Trang den Bus verliess. Ich sollte nur Ausschau nach seinem Fahrer mit Jungle Beach Schild halten. Als es dann soweit war, wurde mir schlagartig klar, warum. Sobald der Bus stoppte, bildete sich eine Traube von Taxifahrern um uns. Es wurde laut, wuselig und einer haute dem anderen eins auf die Nase. Ich fand meinen Taxifahrer mit Schild und stieg in seine Karre ein. Er konnte kein Wort Englisch. Ich kein Wort Vietnamesisch. Wir fuhren los und nach nur fünf Minuten gab er mir ein Schlafzeichen. Ich deutete, dass er müde war. Am Strassenrand des zweispurigen Highways hielt er an und gab mir zu Verstehen, dass jetzt Kaffeepause ist. Also überquerten wir die Strasse und setzten uns in ein Café. Ich trank fasziniert meinen ersten vietnamesischen Kaffee, der auf die weisse, süsse Kondensmilch ins Glas reintröffelte. Und er… er stand auf, schlurfte auf einen fast zwei Meter grossen Mann zu, sie sprachen und gingen dann zurück zum Taxi. Ich machte einen langen Hals, meine Augen klebten an ihren Bewegungen, ich erhob mich ein paar Zentimeter vom Stuhl und blickte wie erstarrt zu den beiden rüber. Sie holten meinen Rucksack aus dem Taxikofferraum und packten ihn in den grossen Privatjeep des grossen Mannes. Der Taxifahrer stieg in seine Karre und fuhr davon ohne Tschüss zu sagen und ohne seinen Kaffee zu bezahlen. Der andere namenlose Mann kam zurück zu mir und gab mir das Zeichen, dass die Reise nun mit ihm weiterging. Ich zahlte zwei Kaffee und ergab mich meinem Schicksal. Ehrlich gesagt hatte ich jetzt so richtig Schiss. Wir fuhren in die Einöde, damit wirbt ja Jungle Beach „in the middle of nowhere“…nix drum rum nur ein paar Kühe.

Ich hatte kein Handy und all mein Hab und Gut in meiner Handtasche. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten, entweder war ich jetzt auf dieser Fahrt fällig oder eben nicht.  Nach 90 Minuten kamen wir am Jungle Beach an, und alles war gut. Bis auf mein Nervensystem und die Stimmung vor Ort.

Wer neugierig ist, checkt hier: http://www.junglebeachvietnam.com

In diesem Paradies war gerade eine Horde 20 Jähriger, die jeden Abend soffen, rumpöbelten und im Sand umkippten. Alle zwei Tage kamen stark parfümierte Russen zum Abhängen und Feiern zum Jungle Beach, und ich bekam Heimweh nach Thailand. Um den Rückflug zu buchen, brauchte ich Internet und leider funktionierte das am Jungle Beach nicht so richtig. Der Besitzer gab mir den Hinweis, dass in dem Dorf nebenan ein Internetshop ist. Konnte ich kaum glauben, aber ich bin dann los, machte Anhalter und eine geschätzt 16jährige Vietnamesin kapierte durch mein Handzeichen, wo ich hinwollte. Sie brachte mich mit ihrem Moped zum Internetshop. Leider war  hier alles auf Vietnamesisch bis dann einer kam und meinem PC auf Englisch umstellte.. Ich konnte meinen Rückflug buchen und mich mit anderen Freunden, die auf Koh Lanta in Südthailand waren, verbinden. Leider war ihnen nicht klar, dass ich sofort eine Antwort brauchte, wo genau sie sich befanden. Ich schrieb: „Ich bin jetzt noch eine halbe Stunde im Internetcafé, dann nicht mehr, bitte macht eine Ansage, wo genau ich hinkommen soll!“ Keine konkrete Antwort, stattdessen nur.. dass sie sich freuen mich wiederzusehen. Ok ich bin dann erstmal los nach Koh Lanta. Und weil ich in meinem Reiseführer gelesen hatte, dass der Strand Klong Khong Bay die buntesten Bambushütten hat, bin ich dorthin.

Leider war mein Wunschbungalow von Where Else bei Klong Khong voll. Die Besitzerin sagte mir, dass am Strand nebenan auch noch Hütten sind, die die Familie betreibt unter den Namen Somewhere Else. Was für ein passender Name. Dort habe ich dann eine Hütte angemietet, bin ins Internetcafé und meine Freunde hatten mir endlich mal eine Message dagelassen, wo sie schliefen. Zufälligerweise direkt im Guesthouse hinter meiner Hütte. Perfekt.

Muschelrauschen statt Smartphone

Wir verbrachten  fünf Tage auf der Insel. Dann stand mein Abflug nach Deutschland bevor. Ich düste nach Bangkok und rief von einer Telefonzelle aus Pui an, die auch mit mir die Yogaausbildung gemacht hatte. Sie wollte mich verabschieden. Da sie in der Nähe des Flughafens wohnte, wollte sie mich dort vor meinem Abflug treffen. Ich sagte ihr, dass ich kein Handy habe und es deswegen wichtig ist, jetzt direkt einen konkreten Treffpunkt am Flughafen mit konkreter Uhrzeit abzumachen. Sie sagte: „Ok no phone, but Messenger?“ „Nein. Nein Nein!“ Wir machten was aus. Ich war 10 Minuten später dran als abgemacht. Aber wir fanden uns und konnten uns Tschüss sagen. Als ich dann viele Stunden später in Deutschland zuhause ankam und den Rechner anmachte, hatte sie mir über Messenger eine Nachricht geschickt: „I am at our meeting point – where are you?“



3 Antworten zu “Ohne Smartphone durch Asien – reisen offline”

  1. Lydia sagt:

    Hast du den kleinen Wecker noch? Ich bin platt. Und mache mir nachträglich ins Hemd. Und ja, niemand will ernsthaft glauben, dass man nicht ständig online, bzw. erreichbar ist. Liebe Grüße!

    • Yvonne Struewing sagt:

      Hallo Lydia, ich hatte ihn sehr lange in einer Kiste. Vielleicht ist er noch da, ich bin nicht sicher. Hier in Indien bin ich oft offline, auch mal unfreiwillig. Irgendwie verrückt diese Welt im Internet. Hier ist sich treffen ohne WhatsApp etc kaum möglich.

  2. Larsi sagt:

    Freitag auf Samstag… 00:33 Uhr… beste Zeit zu lesen, dass auch Taxifahrer sich wie hungrige Tiere benehmen können… aaaaach Strüvonne! – your Larsi

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