Der tröstende Thaihund

Schiss bis zum Mond hatte ich, als ich vor 5 Jahren alleine den Flieger bestieg, um meinen Hintern 8.606,62 km von Berlin nach Bangkok rüberschieben zu lassen. Neben der Angst hatte ich noch Liebeskummer im Gepäck, Zigaretten, die ich damals angefangen hatte Kette zu rauchen – macht man bei Krisen so  (achtet auf den Tatort, wo Betroffene plötzlich bei Verlust eines geliebten Menschen anfangen zu rauchen) und Faszination. Ob Bangkok mehr als nur ein grosser grauer Betonklotz war, wie ich es mir vorstellte? Ein Moloch der Exotik-Lust älterer westlicher Männer – ohne viele Haare dafür mit mehr Bauch? Eine Stadt, die einem sofort das Gefühl gibt, „Ich verschlucke dich, du bist 1 Mensch von 8,281 Millionen“? Nein, sobald ich das Flugzeug verliess, war ich angetan von dem angezuckerten Sound der Thais, die so klingen, als hätten sie ein Dauergrinsen verschluckt und angetan davon, das erste Mal alleine durch eine Gegend zu laufen, die so ganz anders war als Deutschland. In Bangkok lauern bunte kleinere und grössere Tempel an jeder Ecke, mit Fanta und Reissuppe beschenkt oder mit chinesischem alten Porzellan beklebt, mit Plastiktieren als Deko, debil lächelnden Buddhas und Bilder vom König thronen überall. Egal ob am Strassenzaun, im BeautyShop  oder beim Busunternehmen. In den Reisebüros hängen dazu noch grossformatige Fotos von den Kindern der Besitzer und immer und überall Girlanden vom letzten Silvester oder dem, das bald wieder kommt „Happy New Year“.

 

 

 

Sowas lenkt gut ab. Meine Augen kullerten rum wie in einem Karussell. Laufen und kucken, kucken und laufen. Die ersten zwei Wochen verbrachte ich nur damit: ich schob mich selbst durch Strassen und Gerüche, saugte alles auf, zog mir literweise Nudelsuppe von den umherstehenden Garküchen durch die Zähne und redete zur Abwechslung mal kaum: nur den nötigen Small Talk und Lächeln, das geht immer. Als ich auf der Insel Ko Tao bei Mister J., landete, einem schrulligen netten Herren mit schwarzen Zähnen, einem lauten Lachen, grossen wachen Augen und vielen Büchern, wollte er mir eine Freude machen. Er gab mir für 300 baht – das sind nicht mal 8 Euro  – sein „Big Room“. Er schloss es mir mit einem Riesentrara auf: „All for you“  – 2 Betten; eins davon war auch noch ein riesiges Doppelbett für mich alleine.

3 Betten et moi!

„Ja gut“, dachte ich mir, „Zeigt dir das Leben gerade mal auch äusserlich, dass du alleine bist.“ Mir war weder nach Matrazenhüpfparty zumute, noch dazu den nächsten temporären Lieblingsmenschen bei billiger lauter Musik zu treffen, mir war nach auf dem Balkon rumsitzen und  rauchen. Und während ich da hockte, hüpfte eine Katze ohne Vorankündigung auf meinen Schoss, nach kurzer Zeit kam eine zweite angerauscht. Dieser Moment war wunderbar, plötzlich hatte ich zwei Mitbewohnerinnen – auch wenn sie nur auf dem Balkon abhingen. Sie hatten was aus dieser Zimmerdramatik rausgenommen, mit der Mister J. es sowieso ja nur gut gemeint hatte und sowieso – „andere hätten sich gefreut über so viel Platz“ – denkt der ein oder andere sich vielleicht…. Meine emotionale persönliche Lage sah das damals eben anders.

Nach 3 Tagen zog ich wieder um und gönnte mir einen Bungalow am Meer. Direkt am ersten Abend gesellte sich ein Hund zu mir, eine typische Thaifellnase, kackbraun und etwas räudig. Ich war skeptisch, wusste nicht, ob er zuschnappt und meine Tollwutimpfung gleich mal zeigen kann, was sie drauf hat oder, ob er einfach nur einen Buddy suchte. Zweites stellte sich heraus. Der Hund ohne Namen wurde vom Personal auf dem Gelände geduldet, er war bekannt dafür, sich immer einen Gast herauszupicken, mit dem er dann abhing. Dieses Mal hatte er sich für mich entschieden: 4 Tage waren wir ein Team: Nachts machte er einen auf Bodyguard, er schlief auf meiner Verandabank vor meiner Tür, morgens  kam er eine Runde mit Schwimmen, ich im Wasser er beim Lochbuddeln am Strand – zum Kühlen seines Kopfes –  und wenn ich nachmittags um 16 Uhr zum Yoga ging, begleitete er mich bis zu seiner imaginären Grundstücksgrenze, setzte sich dann und schaute mir hinterher. Kam ich gegen 19 Uhr zurück, wartete er schon auf mich, unter der Bank meiner Veranda.

Es gab Zeiten da hatte ich ähnliches mit einem Menschen erlebt, das war aber vorbei.  Und zu meiner damaligen Lage passte ein Zitat wie die Faust aufs Auge: Der Hund bleibt Dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde. (Franz von Assisi). Heute denke ich, dass das Zitat doch etwas hart ist und zu pessimistisch. Es gibt auch Zwischentöne. Beziehungen sind vielschichtig. Ich selbst musste lernen:

Wir kommen alleine auf die Welt und gehen alleine, zwischendrin tun wir uns zusammen: Tiere wie Menschen kommen und gehen, alles ist in Bewegung,  aber das, was zählt ist, ob jemand in der Spanne der Zeit, die man miteinander verbracht hat, loyal war. Denn dann kann man mit Abschieden auch besser umgehen. Der Thaihund damals hatte wirklich einen anständigen Job gemacht: Als ich endgültig meine Holzhütte am Meer verliess, brachte er mich wieder bis zur imaginären Grenze. Dann setzte er sich. Er schaute mir wie immer hinterher, und das machte mein Herz ein kleines bisschen weniger schwer.

 

Mucho Love, Yvi

 

 



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