1 Amando: Zwischen Kitsch und Kohle machen

Die ersten zwei Nächte verbringen wir in Matanzas, einer Stadt nahe des Flughafens von Varadero. Wir wollen uns akklimatisieren und bekommen gleich die Kubakeule ab. Bei Amando. Er vermietet uns ein Zimmer in seiner Villa. Die hat er kitschigcool dekoriert mit Kubaflaggen, Nippesfiguren und Kühlschränken voller Eier, dem Hauptnahrungsmittel auf Kuba. Drum rum ein Chaos: denn der Villenanbau ist in vollem Gange. Amando weiss: die Touris kommen, er hat die Dollarzeichen im Auge.
Unser Zimmer liegt im Erdgeschoss, feucht wie eine Tropfsteinhöhle ohne Fenster und mit einem 90er Jahre PC. Am nächsten Tag stellt sich heraus, dass Amando unser Zimmer auch als sein Büro nutzt. Natürlich zahlen wir den vollen Preis. Natürlich hatte er uns darüber nicht informiert.
Auch nicht, dass das Militär einmal am Tag kommt mit Gasmasken und ein aggressives Mückenspray abfeuert, das das Zimmer quasi ausräuchert, als Prävention gegen den Zika-Virus.
Und weil es sowieso mufft, sprüht er dann auch noch in regelmässigen Abständen Toilettenspray „Rose“ hinterher.
2 Nächte ziehen wir das durch in dem Tropfsteinhöhlenzimmer. Ich in Winterjacke, weil das dünne Laken nicht wärmt. Es ist unsere Kuba Premiere, und wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen.
Schlaf ist bis morgens um 7 möglich, dann geht im ganzen Haus düstere Psychomukke an, eine Mischung aus Enya trifft Elton John und Graf Dracula sitzt an den Synthies. Die Lautstärke ist bis auf Anschlag. Neben seinem Lautsprecher hängt der Vogelkäfig mit zwei Papageien. Dass der eine kein Haar mehr auf dem Kopf hat, ist nicht verwunderlich. Mein Tipp für Amando lautet: Er soll aus „dekorativen Gründen“ doch bitte den Vogelkäfig in die Lobby hängen. Mit Tierliebe versuche ich es nicht, denn ich befürchte er würde mir einen Vogel zeigen. Das mit dem Dekoaspekt findet er interessant. Ich hoffe, dass Amando das umsetzt, bevor den armen Papageien der Kopf explodiert.
Amandos Charakter ist eine Achterbahn: schwankt sekundenweise zwischen aufgesetzt bemüht und besserwisserisch. Er behandelt uns wie 8 jährige, wie auch die beiden Mädels im Zimmer nebenan, eine Ärztin und eine Entwicklungshelferin. Amando ist ein Macho, der seine angestellten Frauen hin- und herkommandiert. Sie folgen seinen Anweisungen mit einem traurigen Gesichtsausdruck, der uns auf der Kubareise noch oft begegnen wird. Man sagt, die Kubaner schwanken zwischen Lebenslust und Lethargie. Die Lethargie ist in den Gegenden, die wir besuchen, meiner Meinung nach, viel stärker zu bemerken.
Trotzdem ist Amandos Villa besonders, wegen der Terrasse, seinem alten z.T. deutschen Porzellan und dem guten Essen, das er überteuert servieren lässt. Noch nicht mal fertiggegessen zieht er uns Fisch und Beilagen vom Tisch mit dem Kommentar: Wir würden wie die Katzen essen: „Como gatos“. Aber Amandos Launen sind uns am Ende völlig egal. Über seiner Terrasse ist ein knallorangefarbener Sonnenuntergang mit Vogelschwärmen am Himmel, die eine Choreografie aufführen. Als die Sonne fast unten ist, setzen sie zum Tiefflug an und surfen 5 Zentimeter über unsere Kopfe im Highspeedtempo hinweg. Sagenhaft.

 

 



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