3 Essenssuche in Havanna

Viven los animales“, Kaffee im kubanischen Wohnzimmer und 8 Schokoriegel für ein kubanisches Monatsgehalt

Wir haben Hunger in Havanna. Elisabeth, bei der wir ein Appartment mieten, versorgt uns jeden Morgen mit Frühstück, danach müssen wir klarkommen. Und das Beschaffen von Nahrung ist erstmal verwirrend. Denn man muss das mit dem Bezahlen schnallen. Wer mit wenig Kohle als Backpacker unterwegs ist, muss manchmal eben auf’s Geld achten, auch wenn die Kubaner denken, dass wir steinreich sind, was wir ja auch irgendwie sind im Gegensatz zu ihnen. Das Geldthema bringt immer wieder Spannungen auf der Reise. Einfach, weil viele Kubaner Knete machen wollen und wir Touris uns dabei wie Geldmaschinen vorkommen.

KOHLE
Es gibt zwei Währungen auf Kuba: Für die Kubaner den Peso Cubano. 1 Euro = 26.19 Kubanische Pesos. Für die Touris den Peso Convertible (CUC). 1 CUC gleich knapp 1 Euro. Um es verwirrend zu machen, haben beide Währungen das Zeichen $. Und sowieso kann man schnell alles durcheinander bringen. Oft steckt ein Fragenzeichen im Kopf: Kostet der Kaffee nun 1 Peso Cubano oder 1 CUC. 1 Euro oder 0,01 Cent? Wir lernen beides geht. Also aufpassen. Für mich so kompliziert wie eine Mathestunde:
In Kuba kann man wie in Deutschland locker 3 Euro für ein Minieis zahlen und 10 Euro für ein Essen. Bedenkt man, dass der Kubaner in der Regel zwischen 15 und 25 Euro im Monat verdient, ist das krass. Wir wollen geben, fühlen uns aber schlecht, abends in Touristenrestaurants abzuhängen und das halbe Monatsgehalt eines Kubaners in einer Stunde zu verspeisen. Um es anders zu machen, brauchen wir den Peso Cubano. Den bekommt man in einer Wechselstube, aber nur mit Reisepass, wenn noch Kohle da ist, wenn der Schaltermensch Bock auf den Tausch hat und wenn man mindestens eine Stunde angestanden hat. Wir haben Glück, bekommen unsere Pesos Cubanos und können ab sofort im echten Kubaleben mitessen. Können Gemüse und Obst kaufen, was es nur an der Strasse für die kubanische Währung gibt.

SNACKEN

Wer sich jetzt aber vorstellt, wir hocken ab sofort in kubanischen Kneipen rum, der irrt. Die Kubaner gehen aus Kostengründen kaum aus, ihre Hot Spots zum mal Ausgehen sind Stände mit Blinklichtern und kleine sehr einfache Läden. Da besorgen sie sich ein Mittagsessen oder einen Snack. Zuverlässig für zwischendurch sind kleine Stände mit matschigen Pizzen und Hot Dogs aus Tupperdosen. Die bekommt man schon für 5 Pesos Cubanos, also nicht mal 20 Cent, oder ein Reisgericht für 25 Pesos Cubanos also knapp 1 Euro.

REIS REIS BABY!!!

Wir gehen in so einen Reisladen rein, es gibt für alle Dasselbe: Reis, Stück Fleisch und Salat. Weil wir kein Fleisch essen, erklären wir der Gang, dass wir nur „Arroz con vegetales“ möchten. Also Reis mit Gemüse. „Klaro“ sagt der Koch und stellt uns einen Teller mit Reis hin, in dem kleine Schinkenstücken baden. Ich kucke verblüfft, der Typ neben mir grinst mich mit einer Hähnchenkeule im Maul an, behauptet, dass Schinken kein Fleisch ist, ich erhebe mich und rufe: „Viven los Animales“, der Typ mit dem Tier im Mund findet das gut, kaut genüsslich weiter und hilft uns dabei, Reis nur mit Gemüse zu bekommen. Wir möchten 25 Pesos Cubanos zahlen wie es am Schild steht, aber der Reismann ist scharf auf den Peso Convertible – auf die Touriwährung. Okay: Er bekommt 1 CUC. Happy über den geparkten Reis im Bauch, wollen wir einen Kaffee drauf trinken.

KAFFEE IM WOHNZIMMER

Wir halten an einem Fenster an mit einem Zettel, auf dem steht: „Hay cafe“ – es gibt Kaffee. Wir rufen durchs Fenster, ein alter Mann öffnet uns die Tür zu seinem dunklen Wohnzimmer und bietet uns Kaffee für einen Peso cubano an, heisst für 0,00… so gut wie geschenkt. Wir nehmen in seinen Schaukelstühlen Platz und bekommen jeder ein dreckiges Glas. Er befüllt es einen halben Zentimeter hoch mit lauwarmen Kaffee aus einer Thermoskanne. Wir hauchen ihn ein – und obwohl es nur ein Tropfen war, geben wir ihm Trinkgeld, weil das mit dem Wohnzimmer und so alles viel zu niedlich ist. Statt 2 zahlen wir 5 Pesos Cubanos.

ABZOCKE IM RESTAURANT

Abends treffen wir Freunde zum Dinner in Fidels Restaurant „Los
Nardos“. Normalerweise ist dort eine Schlange bis zum Mond, wir kommen an, nix los, weil Stromausfall. Die Kellner sagen, dass man nicht weiss, wann der Strom wiederkommt und wir sollten doch zu einem Laden gehen, der Essen für 4 Personen für 30 CUC (30 Euro) anbietet. Wir lassen uns drauf ein, landen in einem Restaurant mit Kellnerinnen im Gogo Look und bekommen wenn überhaupt nur die Hälfte von dem, was auf der Karte steht für den doppelten Preis für 60 CUC. Für uns vier gibt es einen kleinen Salatteller mit ein paar Tomaten und Gurkenscheiben drauf, die anderen zwei statt drei Teller kommen erst nachdem wir freundlich nachhaken, unser Freund möchte Hühnchen, das gibt es aber nur für den Nebentisch, als Nachtisch wählen wir Pudding, bekommen Erdbeereis hingeknallt, der Kaffee fällt aus, ich frage nach, die Kellnerin meint, das mit dem Kaffee hätten wir früher sagen können, wir sollen jetzt sofort bezahlen und gehen. Hä? Auf uns fallen verachtende Blicke. Es liegt eine Spannung in der Luft, die ich so noch nie erlebt habe. Die Kellnerin ist so zickig-aggressiv, dass sie uns fast noch das Tablett ins Gesicht knallt, aber wir sind müde und hungrig angekommen, und finden das jetzt zumindest etwas gesättigt auch irgendwie abgefahren, ein Abend wie im Film. “Eine Kneipe, die man nur mit viel Humor besuchen darf”, schreibt jemand bei Tripadvisor. Stimmt.

https://www.tripadvisor.de/Restaurant_Review-g147271-d16339…

Wir fragen einen netten kubanischen Koch, warum wir oft so
unfreundlich behandelt werden. Er meint, dass die jungen Kubaner/innen hoffnungslos sind, die Wirtschaft sei unten, die Löhne gering und sie sehen, was wir haben, und wollen das auch. Deswegen würden sie uns verachten. Wir verstehen das, es macht die Reise aber nicht einfacher. Wir fühlen uns schlecht und auf eine diffuse Art schuldig und versuchen mitgebrachte Sachen zu verschenken, wie die Reaktionen sind, das in einer nächsten Story.

SUPERMARKT

Nach dem Erlebnis in dem Abzockladen, wollen wir Zeugs für die nächsten Abendbrote im Supermarkt einkaufen und zuhause in der Apartmentküche was kochen. Und der Einkauf bleibt mir besonders im Kopf. Der Supermarkt ist in einem grossen Jugendstil Gebäude „La Epoca“, das hat eine schuppige Fassade und innen sieht aus wie eine Shopping Mall nach einem Giftgasangriff mit wenig Überbleibseln. So wie – es war Krieg und wir haben jetzt das Jahr 2020 – es gibt nur noch das Nötigste. Wasser ist mal nicht dabei, das gibt es zwei Tage lang nicht, in den Bars drum rum dann auch nicht und man trinkt dann eben CubaCola. Um in den Supermarkt reinzukommen, müssen wir unsere Taschen an einem separaten Raum abgeben. Dann dürfen wir am Securitymann vorbei. In den Regalen gibt es gefühlt nur 10 verschiedene Lebensmittel. Kein Obst, kein Brot, kein Gemüse, keine Joghurts, dafür Reis, Nudeln, Öl, Rum, Tomatensauce und Oliven aus Spanien, Rührkuchen, Milch, Kekse, Pringles (normale Chips gibt es nicht). Vieles davon ist in einer Vitrine verschlossen, weil es sehr teuer ist – 4 Euro für Kekse, Thunfisch für 8 , Pringles für 5. Süssigkeiten gibt es nur wie im Tante Emma Laden in Einzelstücken, 1 Lolli, 1 Weingummi, 1 Schokoriegel für 2 Euro umgerechnet. Würde der Kubaner jetzt 8 Riegel kaufen, hätte er sein komplettes Monatsgehalt aufgebraucht. Wahnsinn ist das! Wir kaufen ein, alles wird in weiße Plastiktüten gesteckt, den Kassenbon müssen wir aufbewahren, weil der noch an zwei Stellen von zwei unterschiedlichen Menschen kontrolliert wird, und das, was wir dann mit nach Hause nehmen sind 11 Nahrungsmittel für 31 CUC, also über 31 Euro, also fast zwei Monatsgehälter eines Kubaners. Wir kochen uns ein simples Tomatenoliventhunfischnudelgericht, es schmeckt merkwürdig, denn uns wird klar, dass sich dieses Campingessen kaum ein Kubaner leisten kann.



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