5 Kuba Karussell

Bereits vor der Kubareise wussten wir, dass Thomas aus Leipzig und seine Freundin zur selben Zeit in Havanna sein werden wie wir. Und direkt am ersten Tag laufen wir in seine Arme, die eine dicke Kamera halten. Er fotografiert die Strasse. Thomas war schon öfter in Kuba und kennt sich bestens aus. Wir verabreden uns direkt mal für den nächsten Tag und besuchen den knallbunten Künstler- und Musikerort „Callejon de Hammel“. Graffitis und Kunstobjekte aus Recyclingmaterial und Badewannen in den Wänden begeistern mich, die Masse an Touris eher weniger.  Als Thomas sagt, dass er noch zu einem Freizeitpark will  „Isla de Coco“ am Stadtrand Havannas gelegen, gehen wir  spontan mit. Dort werden wir die einzigen Touristen sein.

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Um dahin zukommen stellen wir uns an die Strasse, ein „Taxi Colectivo“ anhalten. Das sind Sammeltaxis, die durch die Gegend zuckeln. Man zahlt 50 centavos pro Fahrt, knapp 50 Cent, und darf dann so weit mitdüsen wie man will. Weil wir zu viert sind, müssen wir uns aufteilen, denn das erhöht die Chance schnell wegzukommen. Ein angebeulter tannengrüner Oldtimer hält, er hat noch Platz für zwei, also steigen meine Freundin und ich ein. Als wir uns  in die  alten zerschliessenen Sitze fallen lassen, heult der Motor auch schon auf. Thomas ruft dem Fahrer noch schnell zu: „Bring die beiden zur Isla de Coco“.  Und schon braust das Taxi mit uns davon.

In meinem Kopf regnet es Konfetti, mein Herz blubbert: „Was für ein Abenteuer denke ich“, das sind die Momente, in denen ich zu 100 Prozent happy bin. Nicht konkret wissen, wann wir wo ankommen und was uns erwartet.

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Bild von Thomas Meinicke

Es geht quer durch Havanna mit Benzingeruch des Zweitakters in der Nase, der durch die Fenster kriecht, die nicht richtig schliessen können. Leute steigen ein und aus. Oft tragen sie Käppis und Hemden, auf denen was mit Amerika steht. Sie erzählen sich kurze Geschichten, tauschen Befindlichkeiten aus, die Stimmung ist gelassen. Wir verlassen uns auf den Taxifahrer, der Thomas Anweisung hoffentlich korrekt verstanden hat. Und es funktioniert natürlich! Eine Dreiviertelstunde später steigen wir aus. Und warten darauf, dass Thomas und seine Freundin auch ankommen. Als sie nach einer halben Stunde immer noch nicht in Sicht sind, laufen wir einfach mal ganz langsam in irgendeine Richtung los. Es passiert dasselbe wie am Tag zuvor: wir laufen auf Thomas zu, der den Gitarrenspielenden Che, der uns als hübsches Streetartbild von einer Mauer anlächelt, ablichtet.  Wieder  haben wir uns getroffen ohne Telefon. Richtig oldschool sind wir unterwegs.  Gemeinsam laufen wir zum Freizeitpark. In einer kleinen Bude zahlen wir zu viert 6 Cent Eintritt, zusätzlich können wir Tickets für die Karussells kaufen:  jeweils sechs Peso, also 18  Euro-Cent. Dass 80 Prozent von den Bespassungsgeräten nicht mehr in Betrieb sind, macht uns gar nichts aus. An diesem Ort, an dem sich nur sehr wenige Menschen aufhalten (für Kubaner ist der Besuch eines solchen Parks Luxus) ist nicht nur die Zeit stehen geblieben, sondern auch die Karussells. Der Ort strahlt eine nostalgische Ruhe aus, uns kucken bunte verschlafene Konstruktionen an, die nix mehr machen ausser in Würde altern. Vor uns das Kettenkarussell, das längst in Rente ist, so auch die Achterbahn, ein Ufoartiger Bau und die Überkopfschiffschaukel. Wir haben die Wahl zwischen Kinderkarussell und normaler Schiffschaukel und entscheiden uns für Letztere. Mutig nehmen wir auf der hinteren Bank Platz.

Bild von Thomas Meinicke

Bild von Thomas Meinicke

Als die Schiffschaukel sich schwermütig und stöhnend in Bewegung setzt und immer höher schaukelt, wird mir ganz mulmig, weil die Stahlstange auf unseren Beinen nicht fest ist. Je höher die Schaukel durch die Luft pendelt, desto lauter wird das Knarzen. Ich vermute, dass die rostigen Schrauben kurz davor sind einen Abgang gen Himmel zu machen. Ich habe Schiss. Und zwar so richtig. Je höher die Schaukel fliegt – ja es fühlt  jetzt wie lebensmüdes Fliegen an – desto lauter wird die Geräuschkulisse: zum rostigen Knarzen kommt aufgekratztes Teeniegeschrei dazu. Die haben einen Mordsspass und reissen ihre Hände überschwänglich nach oben. Ich habe meine Hände an den Schultern meiner Freundin und führe laut Selbstgespräche, dass ich sowas nie wieder mache usw… 10 Minuten später hat sich das Schiff ausgeschaukelt. Mein ganzer Körper fühlt sich an wie ein nervöser aufgebrachter Pudding. Meiner Freundin wurde übel und auch KubaKola und Maisflipps, das einzige, was die Freizeitparkkantine anbot, konnten nix mehr gerade biegen. Trotzdem: im Nachhinein war es mega! Und vielleicht würde ich dieses alte Ding noch mal besteigen, kommt darauf an, ob es dann noch munter vor sich hin knarzt oder wie die anderen Karussells längst in Würde altert.

 



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