6 Weinende Männer im Geldwahn

Von Havanna nach Viñales sind es 200 Kilometer.

Wir reisen wieder im Taxi Collectivo. Wieder ein altes Auto aus den 50ern. Hier passen irgendwie 10 Leute rein, die Rücksäcke werden auf dem Dach drappiert und in den Kofferraum gequetscht, in dem noch zwei britische Jungs sitzen. Ja – viel Kohle machen, darauf haben die Kubaner Bock, die Fahrt kostet pro Person 20 CUC, also 20 Euro ca., und wenn man das mal 10 rechnet ist – ist das fast ein Jahresgehalt eines Kubaners: verdient in nur drei Stunden!

Mit in der Coche eine Schwedin und ihr Vater.  Sie ist am ganzen Körper voller Pusteln, weil sie das Pech hatte nachts von Bettwanzen besucht zu werden, trotzdem beschwert sie sich nicht, das Reisefieber macht sie so glücklich, dass sie ihren rot gebeulten juckenden Körper mit Anmut erträgt. Dahinter sitzen zwei Paare, ein älteres aus Frankreich, ein jüngeres aus Österreich: Eine symbiotische Reise-Klette(r)n-Liebesbeziehung, in der man sich sogar synchron das Stirnband als Ohrschutz aufzieht, denn in kubanischen Karren zieht es immer, auch mit Fenster zu. Drei Stunden später kommen wir in Viñales an – ohne meine Nasendusche, die ist aus dem Rucksack auf dem Dach rausgeflogen. Etwas unpraktisch, weil man während der Fahrten nicht nur viel Luft ins Gesicht bekommt, sondern der Zweitakter einem auch einiges an Benzin in die Nase schickt. Ich mag aber diese Reiseluft und das tuckern in alten Karren durch die Gegend sehr. Wir fahren in Viñales rein und überall sind kleine bunte Holzhäuser mit Verandas.

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Jeder der 17000 Einwohner des Ortskerns vermietet Zimmer, und so ist es nicht verwunderlich, dass auf die Einwohner noch mal mindestens doppelt so viele Touris kommen. Sie legen sich wie ein Teppich über das Städtchen, das eine atemberaubende Szenerie hat. Das Tal mit seinen knallgrünen Tabakfeldern und roter Erde ist von Kegelkarstbergen umzingelt. Solche Dinger findet ihr sonst nur in Thailand bei Krabi, wo James Bond gedreht wurde oder The Beach mit Leonardo di Caprio.

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Der Fahrer fragt uns, ob wir eine Bleibe haben, denn zur Hauptsaison ist immer alles komplett ausgebucht. Das österreichische Pärchen, das bis dahin alles synchron in Harmonie tat, bekommt einen hysterischen Anfall, weil es sich nicht um eine Bleibe im Vorfeld gekümmert hat. Sie steigt angefressen am Stadteingang aus, er genervt hinterher. Alle anderen lassen sich bei ihren Casas Particulares absetzen.

 

Wir wohnen bei einem netten Ehepaar um die 70. Er war früher Geographielehrer, sie Hausfrau. Sie sind nie weiter gekommen als bis in die nächste Stadt. Mit ihrer Casa Particular haben sie sich ein gutes Business aufgebaut. Im Garten ist ein Haus mit zwei Zimmern. Dazu ein Pool, den aber niemand nutzt, Terrasse auf dem Dach der Hauptcasa, die auch niemand nutzt und eine Bar. Wir sind gerade mal angekommen, sitzen seit einer Minute in einem typisch kubanischen Schaukelstuhl, der vor jedem Zimmer steht, da überrumpelt uns der Sohn unseres Vermieters: Ob wir nicht Bock hätten jetzt gleich in 30 Minuten, mit den beiden Mädels aus dem Zimmer neben uns eine Pferdetour zu machen zu den Höhlen, die für Viñales so typisch sind. 50 CUC pro Person, das ist uns erstens zu teuer (50 Euro) – zweitens haben wir keinen Akku mehr. Wir lehnen dankend ab und sagen: „Quizas mañana“, „vielleicht morgen“. Als wir am nächsten Tag noch mal ablehnen, ignoriert uns der Sohn bis auf weiteres.

Dass die Kubaner Geld machen wollen, lässt sich nicht verbergen. Eines späten Abends kulminiert dieser Wahn in einem Streit. Unser Vermieter streitet sich mit seinem Nachbarn, der rübergekommen ist. Die Stimmen werden schrill, Fauste hauen auf den Tisch, einer weint und schluchzt so laut, dass Schlafen erstmal nicht möglich ist.. Am nächsten Morgen dasselbe Spiel. Es geht um Geld, um uns Touris als Klienten, um ihre Kinder, die auch von was leben müssen. Der Nachbar wirft unserem Vermieter vor, ihm alle Kunden wegzunehmen, indem er seine Casa immer attraktiver macht, indem er anbaut (Pool, Gartenhaus etc.) Da kann der Nachbar nicht mithalten, Und wer Casas Particulares hat, muss jeden Monat hohe Abgaben an Fidels Gang zahlen, egal, ob er was vermietet. Nach dem zweiten Streitgespräch, bei dem wieder Tränen flossen, sitzt der Nachbarn erschöpft mit aufgequollenem hoch rotem Gesicht im Schaukelstuhl.
Der Vater fragt uns, ob wir nicht mit ihm zum berühmten Strand fahren möchten, der 65 Kilometer weit entfernt ist. Cayo Jutias. Möchten wir, aber nicht mit ihm, weil unsere Freunde aus Leipzig auch in der Stadt sind und schon einen günstigen Fahrer klargemacht haben für uns vier. Dass wir mit ihm fahren, dürfen wir natürlich so nicht sagen, weil unser Vermieter sonst traurig oder sonstwas wäre.

Die Fahrt zum Strand Cayo Jutias ist typisch kubanisch: Wir sitzen in einem mintgrünen 50er Jahre Auto, bei dem die Türklinke ab ist, die Fenster nicht mehr richtig schliessen, aber es tuckert so schön durch die Gegend.

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Als wir ankommen, kuckt uns ein Strand an, der mich bis auf weiteres verdirbt. Ich weiss sofort, sowas kommt erstmal nicht wieder: Weisser Puderzuckersand, Palmen, Kokosnüsse, türkisfarbenes Wasser – Cayo Jutias sieht aus wie aus der Raffaelo oder Bacardiwerbung. Traumhafter geht es nicht. Ein Paradies wie ich es nie sah.

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Als wir zurückfahren, lassen wir uns 200 Meter vor unserer Casa absetzen, damit unsere Vermieter nicht mitbekommen, dass wir mit einem anderen Fahrer die Strandtour gemacht haben. Die Pferdetour mache ich einen Tag später auch direkt im Tal bei einem jungen Kubaner. Dass ich dann auf dem Pferd sitze, nicht alleine und einen auf Titanic mache, ungewollt, das hätte ich so nicht erwartet. Diese Story dann nächstes Mal.



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